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Von User Manuals für Aliens und Cabrios im Rückwärtsgang: Gebrauchsanleitung Mensch

By Clio Saal . August 26, 2014

Paul Hawkins scheint ein ganz normaler Autor zu sein, so einer, den man in Jogginghose am Laptop in diversen Berliner Cafés rumsitzen sieht. Aber was, wenn er gar nicht von hier kommt und sein Cabrio mit Superman-Print eigentlich ein… Raumschiff ist? Und er selbst ein… Alien? Wir werden es wohl nie erfahren. Fakt ist aber, dass er ein Buch, die “Gebrauchsanleitung Mensch”, geschrieben hat das den anderen Aliens Schritt für Schritt erklärt, was man mit einem Homo Sapiens so anfangen kann. Ein Gespräch über die Entstehung dieses außergewöhnlichen User-Manuals was wir Euch in Kooperation mit seinem Verlag C.H.Beck in den nächsten Tagen vorstellen.

paul hawkinsPicture by Jonas Fischer

Paul, was hat dich nach Berlin verschlagen?

Eine Aneinanderkettung von Zufällen würde ich sagen. Ich hatte ein paar Freunde, die mit einem Cabrio auf das Superman gepinselt war für eine Charity Rally nach Prag fuhren. Sie wollten das Auto nicht verschrotten, also bekam ich es. Ich war gerade nach Prag geflogen um es abzuholen, da erzählten sie mir, dass während des Trips das Dach, das Radio, die Zündung, das Schloss und der Rückwärtsgang kaputt gegangen waren. „Das Auto fährt nicht mehr rückwärts“ hat mir mein Freund erklärt, „hier sind trotzdem die Schlüssel!“. Am nächsten Tag, noch total überwältigt von meiner Situation, hab ich eine Nachricht auf Couchsurfing gepostet, so nach dem Motto: „Hallo, ich bin ein Idiot, der nach Prag kam und keinen kennt, bitte helft mir!“. Ich bekam eine Antwort von einem lustigen, glatzköpfigen Engländer namens Adam Fletcher, der grade in Prag im Urlaub war, und sonst als Comedywriter in Berlin arbeitete. Nachdem wir ein paar Tage (vorwärts) durch Prag gefahren sind, haben wir schnell festgestellt, dass wir den gleichen, absurden Humor haben und haben beschlossen, ein Projekt zusammen zu machen. Nach einiger Zeit des Reisens bin ich schlussendlich in Berlin gelandet. Da habe ich mir einige Strafzettel eingefangen und der Vorwärtsgang des Cabrios ist nun auch kaputt. Deshalb bin ich hier. Ich konnte nicht mehr weg.

Hättest du dir jemals vorstellen können, dass du 2014 dein erstes Buch veröffentlichst als du damals nach Berlin kamst?

Nein, ich war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort, aus falschen Gründen, durch einen seltsamen Zufall. C.H. Beck hatte gerade Adams Buch “How to be German” herausgebracht, dadurch waren die Leute glaub ich offener für humorvolle Buchtitel. Davor fiel mir außerdem auf, dass alle meine Bücher ein ähnliches Thema behandelten – dass ich immer über die Welt und die Menschen schreibe, als betrachte ich sie als Alien und es wäre irgendwie angemessen ein Buch zu schreiben, das funktioniert wie ein iPhone Manual, nur für Menschen. Ich habe das Buch als Alien für Aliens über Menschen geschrieben.

Wie lange hat es gebraucht von der ersten Idee für “Gebrauchsanweisung Mensch”, bis du es in deinen Händen halten konntest? Und während dieser Zeit, was war dein aufregendster Moment?

Ich denke, das hat alles ein Jahr gedauert. Das bestand aus 10 Monaten denken „cool, ich wird ein Buch schreiben!“ und dann 2 Monate zu viel Kaffee trinken und denken „OH GOD OH GOD OH GOD WARUM HAB ICH DIESES BUCH NOCH NICHT GESCHRIEBEN???!!!“ Der aufregendste Moment war glaub ich diese Woche. Der Verlag hat mir einen Stapel Beutel gegeben mit dem Buchcover drauf als Preise und hat mich gefragt, ob ich die signieren könnte. Das war das erste Mal, dass mich jemand gefragt hat, etwas mit meinem Gekritzel zu verschönern. Normalerweise ist das Graffiti, aber als Auto ist das Promotion!

cover grbauchsanweisung mensch

Du bist Drehbuchautor. Sehen wir bald einen Film von dir?

Eines Tages hoffentlich. Das habe ich studiert und ich habe einige Drehbücher geschrieben, die aber liegen meistens nur in einer Schublade und sammeln Staub an und fragen sich warum ich sie nie besuche… Das Film und Fernseh-Business ist ziemlich schwierig für Newcomer, die erwarten sehr viel Vorausarbeit und trotzdem weiß man nie, ob man letztendlich bezahlt wird. Wenn ein Agent oder Producer sagt: „wir mögen dein Skript, kannst du noch zwei mehr schreiben?“, das motiviert dich nicht. Bei Büchern kannst du relativ schnell vom Proposal-Schreiben übers richtige Schreiben zum Veröffentlichen gelangen. Allerdings, schon Steinbeck hat die armen Amerikaner als “temporarily embarrassed millionaires” beschrieben, also als kurzzeitig peinlich berührte Millionäre. Ich sehe mich auch immer noch als unnützer und permanent abgelenkter Drehbuchautor.

Wann hast du das letzte Mal gefühlt, dass Berlin dich liebhat?

Nie habe ich mich mehr von Berlin geliebt gefühlt, als damals, als ich gerade in Berlin ankam und ich von der leerstehenden Wohnung eines Freundes hörte. Ich hab mich am nächsten Tag mit dem Vermieter getroffen, unterschrieb den Vertag und hatte die Schlüssel in meinen Händen. Ich musste keinerlei Unterlagen oder sonst irgendetwas einreichen, was mein großes Glück war, denn ich hatte keine. Das war lange bevor ich überhaupt mitbekam, wie schwierig es war, hier eine Wohnung zu finden. Ich habe damals sogar gedacht: „Wow, ist das einfach hier, eine Wohnung zu finden. Das muss an der Geschichte der Stadt liegen.“.
Allerdings wurde ich am nächsten Morgen direkt von einem lauten Anarcho-Punk geweckt. Der Nachbar von unten drunter war ein Punk mit Tattoos im Gesicht namens Bomb. Eine Stunde später habe ich Peter, meinen Nachbarn von nebenan kennengelernt, einen halb gestörten Alkoholiker mit nur einem Finger. Er bot mir nen Whiskey an, ich habe lieber mein Müsli weitergegessen (es war 10 Uhr morgens). Wir wurden Freunde. Er hat mir am zweiten Tag ein Foto von sich mitgebracht, auf dem er eine Knarre in der Hand hält, mit der Bitte es für ihn zu kopieren. Unten wohnte eine Prostituierte, die aber von einer anderen Wohnung im Haus arbeitete, da man ihr den Strom abgedreht hatte. Leute haben Heroin im Hausflur gespritzt. Und mittwochs Partys gefeiert. Der Hausmeister war fett und ging am Stock. Trotzdem ist er jeden Tag in die Mülltonnen im Hof gekrochen um den Müll platt zu drücken. Auf meiner Einweihungsfeier hat mein polnischer Nachbar versucht, meinen Tae-kwon-do-schwarzer-Gürtel-Freund zu treten, er verfehlte und traf ein Mädchen. Peter hat ihn verjagt. Bald hab ich gemerkt warum ich keine Papiere brauchte, ich wohnte auf der „Front-line of Gentrification“. Ich bin nicht in eine Wohnung gezogen, ich zog in eine Debatte. Das Haus war verrückt und ich liebte es.

Wo in Berlin hast du das Buch geschrieben und was ist dein Lieblingsplatz?

Ich hab das Buch größtenteils zuhause im Jogger und in verschiedenen Cafés in und um Berlin geschrieben. Das ist das Schöne am Autor sein, du kannst immer und überall schreiben und in ein Café zu gehen erlaubt dir wenigstens mal aus der Jogginghose rauszukommen und dich wie ein menschliches Wesen zu fühlen.
Einer meiner Lieblingsplätze ist der Prinzessinnengarten, nahe des Moritzplatzes wenn das Wetter gut ist. Der ganze Ort ist so friedlich und entspannt wenn die Sonne durch die Bäume scheint und alle sind so schön dort. Wie ein Hippie-Paradies und die Hippies werden von Models gespielt.

Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen?

Ich habe Rücken. Und: “If you want to attempt a running cuddle, please
warn me first” (BLY freut sich über jeden Tipp, was dieser Satz auf Deutsch bedeuten könnte…).

Danke, Paul für das Interview!

Das Buch gibt es ab jetz hier zu kaufen.

 

 

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