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Chips bilden – Ein Blick zurück

By BERLIN LOVES YOU . November 12, 2014

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„Ihr habt die besten Werkzeuge dafür schon dabei“, sagt die freundliche Pädagogin und streckt zum Beweis ihre Hände den Anwesenden entgegen. Wir stehen am Rande des Kartoffelackers der Domäne Dahlem und es regnet. Mieses Wetter. Keine Aussicht auf Besserung. Ich beneide meine Tochter L., 15 Monate alt und unerschrocken, um ihre Regenhose, die drei Viertel ihres Körpers bedeckt und sie annähernd immun gegen das Wetter macht.
An diesem Samstagvormittag im Oktober haben sich hier keine Landwirte am Anfang eines langen Arbeitstages zusammengefunden, sondern ein Grüppchen tapferer Großstädter inklusive drei Kinder, um Kartoffeln zu ernten. Noch am selben Tag sollen aus ihnen Chips entstehen. „Vom Acker auf den Teller in wenigen Stunden“, sagt der smarte Wurstsack aka Hendrik Haase. „Da!“, sagt L. und steckt sich eine kleine Handvoll nasser Erde in den Mund, als wolle sie zeigen, dass es noch direkter und schneller geht.

Die Aktion findet im Rahmen der Berlin Food Week statt und ist eine Kooperation zwischen der Domäne Dahlem und der Erdapfel Manufaktur, deren Initiator der umtriebige Haase ist. Die Domäne Dahlem – das Freilandmuseum für Agrar- und Ernährungskultur mit Bio-Bauernhof und Hofladen – gehört als Preisträger des Bundeswettbewerbs „Ideen für die Bildungsrepublik“ zu den bundesweiten Leuchtturm-Projekten für innovative Bildungsarbeit. Hendrik Haase kämpft als Künstler, Designer und Foodaktivist fürs kulinarisches Lernen und den Lustgewinn. So schaffte er es, in der Markthalle Neun mit der „Sauercrowd“ zu Techno 500 Kilo Rot- und Weißkohl zu stampfen. Durch seine Aktionen baut er Brücken zwischen den Leuten und gutem Essen und was dahinter steckt.

Bei der Berlin Food Week geht es ebenso nicht nur um gutes Essen, sondern auch darum, wo es überhaupt herkommt und wie die Lebensmittel hergestellt werden. Wohl gemerkt: Lebensmittel. Das will man an diesem Tag vor allem den Kindern näher bringen. Allerdings fühlen sie alle anderen Anwesenden auch angesprochen. Der Regen hat inzwischen nachgelassen. Es macht Spaß über den Acker zu kriechen und Kartoffeln aus der Erde zu buddeln. In kurzer Zeit sind die Eimer und Körbe voll. Die Ernte wird geputzt, in Säcke gepackt und gewogen. Dabei erfahren wir Diverses rund um den Erdapfel. Dann noch ein kurzer Abstecher in den Kräutergarten der Domäne und ab geht es mit 36 Kilo Kartoffeln, frischen Kräutern und der ganzen Bagage per S- und U-Bahn nach Mitte ins Warenhaus Jandorf, dem Hauptquartier der Berlin Food Week.

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Essen ist Bildung. Mit gutem Essen und dem Wissen, wo es herkommt, lehnen wir Großstadtkinder uns gegen die industrielle Fertigung von Nahrung auf. Doch das alte Kaufhaus zeigt sich nicht lediglich als schnöde Bildungsstätte, sondern als „Food Clash Canteen“: rau, unrennoviert, pinkes Licht, DJ, ein bisschen Revolution und viele Plätze zum Essen. (L. würde staunen, wenn sie nicht schlafen würde.) Zu DDR-Zeiten war es das „Haus der Mode“. Geschichte mit Glamour also. Dieser schimmert durch das Treiben der Berlin Food Week. Dazu die große, offene Küche als Bühne. Und genau diese betreten wir nun – und machen Chips. Verdammt leckere Chips, aus den selbstgeernteten Zutaten und Beigaben der bemerkenswerten Gewürzkampagne (dazu später mehr).

Für Erwachsene gibt es als Pendant zu der Chips-Aktion am nächsten Tag „From Nose to Tail“, präsentiert von Frank Lüske. Ein halbes Schwein wird auf den Tisch gelegt und zusammen mit dem Publikum zerlegt. Ein Lamm ist auch dabei. Das ganze Tier wird verarbeitet. Man könnte meinen, jedes Teil habe Sinn und Zweck, was schlicht und ergreifend dazu führt, dass es Salsiccia, Merguez und Spare Ribs gibt.
Ach, und dieser Lüske, der als Händler von gutem Essen gelernt hat, und den man als Biolüske kennt, hat auch einen Verständnis dafür, essenzielles Wissen an den Nachwuchs weiterzugeben: Er veranstaltet Kochkurse für Kinder.

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Als an diesem Samstagnachmittag die ersten Spitztüten mit Chips verteilt werden, ist L. gerade aufgewacht. Genüsslich mampft sie die feinen, frittierten Kartoffelscheiben in sich hinein. Es ist, als erkläre sie mir nonverbal, aber sehr deutlich, dass sie genau solche Fördermaßnahmen für ihre Entwicklung als äußerst wichtig erachte. Sie habe erkannt, dass jedes gute Essen einen höheren Bildungserfolg mit sich bringe, als jeglicher wirtschaftschinesische Intensivkurs für Ein- bis Zweijährige und altgriechische Lyrik für Schreikinder.

Also:
Bildet Euch mit der Domäne Dahlem!
http://www.domaene-dahlem.de/

Chapeau, Wurstsack!
http://www.wurstsack.com/

Lasset die Kinder beim Biolüske kochen!
http://www.biolueske.de/kinder.html

Bis zum nächsten Jahr, Berlin Food Week!
http://www.berlinfoodweek.de/

Text: Christoph Kalbitzer

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